Aktuelle Aktivitäten

10.12.2023: Denkmail Nr. 40

Liebe Friedensbewegte,

„Durch eine hochgerüstete Armee, durch immer mehr Abschottung und Überwachung gibt es nicht mehr Sicherheit für Israel. Das ist die Lehre des furchtbaren Terrors vom 7. Oktober.“, so ein ARD-Kommentar vom 25.10.2023.

Die Combatants for Peace, ehemalige Kämpfer*innen aus Israel und Palästina, formulieren: „Da wir Teil dieses jahrhundertealten gewaltsamen Konflikts sind, kennen wir seinen Preis und seine Vergeblichkeit. Mehr als je zuvor in der Vergangenheit behaupten wir heute: Es gibt keine militärische Lösung für den Konflikt; Gewalt erzeugt Gewalt; Rache schürt Rache.“

Gideon Levy von der israelischen Tageszeitung Haaretz hat dies im Tagesthemen-Interview am 7.11.2023 so ausgedrückt: „Eine Perspektive für die Zukunft gibt es nur, wenn die internationale Gemeinschaft sich an Israel und an die Palästinenser wendet, um zu sagen ‚Genug ist genug. Jetzt ist es Zeit für eine Lösung.‘ Man braucht etwas, was grundlegend gerecht auch für die Palästinenser ist. Sonst werden wir niemals sicher sein.“

Auch Russland scheitert aktuell mit seinem Krieg in der Ukraine an seiner militärischen Sicherheitslogik. Doch auch die Ukraine und die NATO sind damit gescheitert, über eine weitere Ausbreitung der NATO nachhaltige Sicherheit zu gewährleisten.

Wir können jedoch aus den Erfahrungen im Nahen Osten, in der Ukraine, in Afghanistan und Mali sowie aus positiven Erfahrungen in Kenia, Somalia und anderswo lernen.

Deutschland sollte seine Kraft einsetzen für die nachhaltige Überwindung der Spiralen aus Trauma und Gewalt durch gemeinsame Sicherheitsstrukturen – im Nahen Osten in Form einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO).

Als Initiative Sicherheit neu denken haben wir diese und weitere Impulse „Sicherheits-Strukturen neu denken“ in einem aktuellen Papier veröffentlicht, das sich auf unserer Homepage sicherheitneudenken.de findet.

Wir freuen uns auf Ihre Zustimmung und/oder Ihre Anregungen: Finden Sie auch, dass diese Impulse die MSC bereichern würden? Schreiben Sie gerne eine E-Mail an vorstand@mskveraendern.de

Mit herzlichem Gruß

Ralf Becker

Koordinator der Initiative Sicherheit neu denken

20.02.2024: MSC 2024 – Beobachterbericht Matthias Linnemann

Allgemeine Eindrücke
Es war für mich die erste Teilnahme an einer Sicherheitskonferenz. Die Präsenz von Politik- und Medienprominenz war beeindruckend. Der Aufwand für Sicherheit (Polizei, Personenschutz) und die Zahl der Uniformträgerinnen und –träger eher irritierend.  Die Konferenz ist (gefühlt) für den Bayerischen Hof zu groß.

Inhaltliche Ausrichtung
Das Motto der Konferenz lautete „Lose – lose?“. Dahinter steckt der sehr einfache Gedanke, dass es global genau einen Kuchen einer definierten Größe zu verteilen gibt. Sobald einzelne Länder außerhalb der westlichen Hemisphäre ein größeres Stück des Kuchens beanspruchen (Ergänzung Matthias Linnemann: größer, als ihnen vom Westen zugedacht war), geht die Verteilung nicht mehr auf. Perspektivisch verlieren dann alle Länder. Die MSC nennt das „Verlust – Verlust – Dynamik“. Das umschreibt sehr gut das westliche Verständnis, aber auch die sich langsam durchsetzende Einsicht: Wie gehen wir damit um, dass der Einfluss der westlichen Industrienationen perspektivisch sinkt, während Länder wie China, Indien, Indonesien und auch der Afrikanische Kontinent an Bedeutung gewinnen werden?

Dieses Thema hat viele Veranstaltungen geprägt. Es wurde nach dem „Silberstreif am Horizont“ gesucht. Darüber hinaus standen natürlich die Kriege in der Ukraine und in Israel/Gaza im Mittelpunkt. Es gab aber auch verschiedene Veranstaltungen zu anderen Brennpunkten, wie Haiti, Sahel/Sudan. Auch der Umgang mit den Auswirkungen klimatischer Veränderungen wurde thematisiert.

Was mir auffiel
Die Konferenz wurde sehr stark von einer Person dominiert, die gar nicht anwesend war: Wladimir Putin. Unglaublich, wie häufig der Name gefallen ist. Kaum vorstellbar, dass z.B. die BRICS-Staaten eine Konferenz zum Thema Sicherheit ausrichten und dort dauernd der Name Joe Biden fällt.

Es hat meines Erachtens verdeutlicht, dass sich die NATO-Staaten mit Blick auf die Ukraine und die sich daraus entwickelnden globalen Machtverschiebungen in einer Art Panikmodus befinden. Die Antworten darauf sind allerdings sehr beschränkt: Aufrüsten, aufrüsten, aufrüsten.

Sicherheit, die sich ausschließlich aus militärischer Stärke ableitet, ist weiterhin das Patentrezept. Dass die NATO in den letzten Jahren jeweils ca. 3x so viel Geld für Rüstung ausgegeben hat, wie China und Russland zusammen, spielt dabei keine Rolle. 1,3 Billionen USD der NATO allein in 2023 haben keinen Krieg beendet und auch keinen verhindert. Warum Diplomatie, wenn wir auch schießen können? „Kriegstüchtigkeit“ in ausnahmslos allen Bereichen  ist das Gebot der Stunde. Widerspruch ist unerwünscht.

Es klangen sogar Forderungen nach europäischen Atomwaffen und nach einer weiteren Militarisierung des Weltraums durch. Kritische oder zumindest mäßigende Stimmen habe ich dazu nicht vernommen.

Was mir sehr positiv auffiel
Es wurde kontrovers diskutiert. Es wurden abweichende Meinungen (soweit es welche gab) zugelassen. Ich habe inhaltlich gute Gespräche zum Krieg in Israel/Gaza erlebt. Sehr interessant die Diskussion mit den Außenministern Saudi-Arabiens und Ägyptens und deren Positionen zum Krieg in Gaza. Hörenswert auch die Sicht des Ministerpräsidenten Palästinas, Mohammed Schtajjeh, und des jordanischen Außenministers Ayman Safadi. Die Organisation „Women wage Peace“, bei der sich israelische und palästinensische Frauen gemeinsam für Frieden einsetzen, durfte ein Statement abgeben und für ein Ende der Auseinandersetzungen werben. Das war ein sehr positives Signal der MSC-Organisatoren. Auf der Internetseite der Münchner Sicherheitskonferenz ->  securityconference.org  können viele dieser Reden und Diskussionsbeiträge abgerufen werden. Unbedingt empfehlenswert!

Auch wenn die Beiträge der USA, der EU und erwartungsgemäß Deutschlands weder mit Blick auf die Menschen in der Ukraine noch in Israel/Gaza wirklich substanziell oder gar hilfreich waren, so sind doch zumindest zu Israel inzwischen auch von westlichen Politikern deutlich kritischere Positionen zu den militärischen Aktivitäten der Israelis durchzuhören.  

Mein persönliches Fazit
Die Sicherheitskonferenz ist keine Friedenskonferenz. Sicherheit meint hier nicht unbedingt die Sicherheit von „normalen Menschen“. Es geht um die militärische Absicherung des westlichen Geschäftsmodells. Dieses Geschäftsmodell wird mit Blick auf die aufstrebenden Staaten außerhalb der westlichen Hemisphäre aber nicht dauerhaft funktionieren. Die Reaktion des Westens darauf ist allerdings nicht der Dialog, sondern die Konfrontation. Und für mehr Konfrontation werden mehr Waffen benötigt.Die EU hat sich entschieden, diesen Weg mitzugehen und aus der Tatsache, dass die USA ihre Position als Hegemonialmacht früher oder später verlieren werden, Vorteile zu ziehen. Ob das gelingt, ist offen. Zweifel sind angebracht. Der Weg dorthin wird für die EU ganz sicher sehr teuer und auch gefährlich.

Wenn die MSC nicht so stark an die USA und die NATO angelehnt wäre, könnte sie eine ernstzunehmende Moderationsrolle unter Einbeziehung Chinas und auch Russlands spielen. Was wäre das für eine Schlagzeile, wenn am Rande der MSC ein Waffenstillstand in der Ukraine oder in Gaza ausgehandelt worden wäre. Dazu fehlt den MSC-Verantwortlichen nach meinem Eindruck aber die Vision. Und vermutlich auch der Mut.

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