Von der »Münchner Sicherheitskonferenz«
zu einer »Münchner Konferenz für Friedenspolitik«
Damit die »Münchner Sicherheitskonferenz« zukünftig zu einer Konferenz für Friedenspolitik wird,
suchen wir den Dialog mit den Veranstaltern, Förderern und Teilnehmern der Sicherheitskonferenz
sowie mit der interessierten Öffentlichkeit.
“Die Welt von morgen wird – ja muss – eine Gesellschaft sein, die sich auf Gewaltfreiheit gründet. Dies mag ein entferntes Ziel sein, ein unpraktisches Utopia. Aber es ist nicht im Geringsten unerreichbar, da man dafür hier und jetzt arbeiten kann.”
Mohandas Karamchand Gandhi
04.09.2024: Denkmail Nr. 44 – Eine unbewohnbare Erde oder ein „Jahrhundert der Toleranz“ (R.D. Precht)?
Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
bei unserem ersten Treffen mit MSC-Leiter Botschafter Christoph Heusgen im März 2022 wurde deutlich, dass ihm – gerade als ehemaligem Vertreter Deutschlands im UN-Sicherheitsrat – die Normen des Völkerrechts und eine werteorientierte internationale Politik ein großes Anliegen sind.
Mit der Frage, wie eine wertegeleitete Außenpolitik wirksam werden kann, befasst sich Richard David Precht in seinem aktuellen Buch „Jahrhundert der Toleranz“. Er schließt sich den Appellen der Wissenschaft an, dass die Verhinderung der Klimakatastrophe das Hauptthema der Politik werden muss, damit Menschen auch noch im 22. Jahrhundert ein lebenswertes Leben auf der Erde führen können. Dafür ist eine gemeinsame Anstrengung der Menschheit existentiell notwendig. Ein weiteres Jahrhundert der Eskalation, der Aufrüstung und der Weltkriege können wir uns nicht mehr leisten! Es wäre das Ende menschlichen Lebens.
Precht hinterfragt die Behauptungen einer „systemischen Rivalität“ zwischen dem Westen und China und des „Kampfes der Demokratien gegen die Autokratien“. Er weist daraufhin, wie leicht wir in Freund-Feind-Denken – wir, die Guten, gegen die bösen Anderen – verfallen und wie selektiv wir autokratische Regime bewerten, je nachdem ob sie mit uns, dem Westen, zusammenarbeiten. Und Precht betont, wie wenig vor allem im Globalen Süden das Predigen von „westlichen Werten“ überzeugen kann, wenn sich dieser Westen selbst so oft nicht an diese Normen gehalten hat – und hält! Allzu oft schiebt der Westen Werte vor, wo es in Wirklichkeit um eigene Interessen geht. Stattdessen wäre der Blick auf das gemeinsame Wertefundament der Kulturen – z.B. „Weltethos“ nach Hans Küng – und eine globale Zusammenarbeit auf Augenhöhe notwendig.
Ich meine, mit seinen – hier nur angerissenen – Thesen könnte Precht einen wichtigen Beitrag auf der Bühne der MSC im nächsten Februar leisten. Das möchte ich Herrn Heusgen bei unserem Online-Gesprächstermin nächste Woche gerne mitteilen.
Was meinen Sie zu diesem Vorschlag?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Mohr
Vorsitzender Projektgruppe „Münchner Sicherheitskonferenz verändern“ e.V.
Vorsitzender gewaltfrei grün e.V.
08.07.2024: Denkmail Nr. 43 – Das Friedensgutachten 2024 – im Dienst der Kriegslogik?
Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
„Welt ohne Kompass” ist das neue Friedensgutachten (FGA) der vier führenden Friedensforschungsinstitute tituliert. Das zumindest erscheint eine sehr zutreffende Analyse zu sein.
Auch zu konstatieren, dass das Jahr 2023 einen traurigen Rekord an Kriegen bzw. Konflikten und einen irrsinnigen Höchstwert von 2,4 Billionen Dollar weltweiter Rüstungsausgaben aufweist, darüber hinaus aber auch das bisher klimatisch heißeste Jahr war, ist sicher richtig und wichtig.
Nicht genug: Vor Europas Haustür toben zwei sinnlose, mörderische Kriege in der Ukraine und in Gaza, in die auch wir verwickelt sind.
Müsste in dieser Situation von der Friedensforschung nicht ein deutlicher Impuls für ein Ende der Gewalt ausgehen, ein unabdingbarer, klarer Wegweiser zu einem Frieden, der eine radikale Abkehr von der bisherigen Kriegslogik voraussetzt? Weil Gewalt und Hass und Aufrüstung nur immer eine Spirale neuer Gewalt hervorrufen?
Statt dessen heißt es in den Empfehlungen des Gutachtens: „Um im Krieg in der Ukraine Verhandlungen zu ermöglichen, muss die militärische Unterstützung der Ukraine nachhaltig gewährleistet werden und steigen.” Und nachdem die USA voraussichtlich ihre Unterstützung verringern, wird gefordert: „Diesen Rückgang muss Europa auffangen, und das heißt auch, dass es seine Rüstungskapazitäten zügig steigern muss.”
Das ist das gleiche militärische Sicherheitsdenken, das seit Jahren auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) von den führenden Repräsentanten der hochgerüsteten Staaten verkündet wird. Deren Leiter, Christoph Heusgen, gibt dazu den Ton an: „Wir müssen zurückkommen zu einer gewissen Logik, wie wir sie im Kalten Krieg hatten”, und er meint, die westlichen Staaten auffordern zu müssen „ihre militärische Unterstützung für die Ukraine auszubauen”, der Westen müsse bei seiner militärischen Hilfe “aufs Ganze gehen”.
Das passt in die allgemeine politische und gesellschaftliche Kriegshysterie einer so genannten „Zeitenwende“. Der Soziologe Andreas Reckwitz sieht darin ein „zunehmendes Freund-Feind-Denken”, „überall gibt es eine neue Kultur der Unerbittlichkeit”.
Sollten wir da unsere frühere Forderung, die Empfehlungen des FGAs auf der MSC prominent zu diskutieren, überhaupt noch aufrecht erhalten? Oder jetzt gerade erst recht?
Was meinen Sie dazu? Wir freuen uns über Ihre Sichtweise!
Mit friedvollen Grüßen
Erwin Schelbert
Gründungsmitglied MSKverändern e.V.
Studiengesellschaft für Friedensforschung
25.06.2024: Denkmail Nr. 42 – „Krieg beginnt immer in den Köpfen“
Liebe Engagierte,
wenn dieser Satz stimmt, dann ist die rasant zunehmende Militarisierung, wie sie weltweit geschieht, zuletzt auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz, gerade nicht der Weg in eine friedliche Zukunft. Nur gemeinsam ausgehandelter Frieden in allen Konflikten kann wirklichen Frieden und damit Sicherheit begründen. Wie findet dieser Pazifismus endlich Eingang in unser Denken?
Ein Gedankenexperiment: Stellen wir uns einfach mal vor, der Gaza-Krieg mit seiner grenzenlosen Zerstörung und dem unerträglichen Verlust zehntausender Menschenleben ist für immer der letzte Krieg zwischen Israel und Palästinensern!
Mit internationaler Unterstützung lernen beide Völker gemeinsam, den tiefen Hass zu überwinden (in Projekten wie Combatants for Peace, Rabbis for Human Rights, Dialogprojekt Transaidancy), dabei den anderen vor allem in seinem Schmerz als Mensch wahrzunehmen. Die traumatischen Erfahrungen von Shoa und Nakba können eine Brücke füreinander werden.
„If you feel pain, you are alive. If you feel the pain of the other, you are human.“
(von Osama Ellewat, Combatants for Peace).
Denn – so Jeremy Milgram, Rabbis for Human Rights – „der einzige Weg, Frieden zu sichern, besteht darin, ihn mit anderen zu teilen.“ Vielleicht ist es mittlerweile wirklich ein radikaler Akt, nach dem 7. Oktober als Jude und Palästinenser aufeinander zuzugehen, sich die Hand zu reichen und mit Beginn einer extrem mühsamen Versöhnungsarbeit den Weg in eine friedvolle Zukunft einzuschlagen.
Zugleich müssen Gerechtigkeit, Menschenrechte und Völkerrecht zum Grundprinzip werden: Eine aufgewertete UNO als Schutzorgan der gesamten Menschheit würde für diese Stärke des Rechts stehen (statt der Gewalt der Stärkeren).
Radikales Denken? Jedenfalls eine herausfordernde, mutige Aufgabe.
Eine Friedensagenda dieser Art bedarf allerdings wohl einer MSC mit neuen Inhalten und anderen Teilnehmenden!
Was meinen Sie?
In Verbundenheit
Christoph Steinbrink
Gastautor für MSKv